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Kein Beschwerderecht des Anschlussinhabers
Das OLG Köln hat mit Beschluss (Az. 6 W 39/9) festgestellt, dass dem Internetanschlussinhaber kein Beschwerderecht gegen den Gestattungsbeschluss des Auskunftsverfahrens zusteht.
Dies ergebe sich schon aus der Tatsache, dass für die fristgebundene Beschwerde der Lauf der Frist an die Zustellung der Entscheidung anknüpft und gerade keine Zustellung an den bis dahin noch unbekannten Anschlussinhaber erfolge.
Eine Beschwerdeberechtigung des am landgerichtlichen Verfahren naturgemäß nicht beteiligten Anschlussinhabers könne sich auch nicht daraus ergeben,dass eine unmittelbaren Beeinträchtigung seiner Rechte vorliege, d.h. einem unmittelbaren, nachteiligen Eingriff in ein subjektives Recht durch die richterliche Anordnung. Adressat der Auskunftsanordnung ist allein der Auskunftspflichtige. Demgegenüber sei der Anschlussinhaber nicht direkt belastet und ihm werde nicht jede legitime Verteidigungsmöglichkeit gegen eine – nach erteilter Auskunft – mögliche Inanspruchnahme genommen. Voraussetzung der Anordnung sei insofern nur, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung über den fraglichen, mit einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse bezeichneten Internetanschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt begangen wurde, nicht aber die Feststellung, dass eine bestimmte Person diese Rechtsverletzung vorgenommen hat. Ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Anschlussinhabers liege nicht vor, so auch schon OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 – Az. 6 Wx 2/08.
OLG Köln lässt Anschlussinhaberin Anwaltskosten zahlen
Nach einem Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009 (Az. 6 U 101/09) muss eine Anschlussinhaberin 2380,00 € Abmahnkosten zahlen.
Von ihrem Internetanschluss wurden insgesamt 964 Musiktitel in sogenannten Tauschbörsen zum Download angeboten. Rechteinhaber waren EMI, Sony, Universal und Warner. Nach erfolgter Abmahnung gab die Anschlussinhaberin die geforderte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch die Abmahnkosten zu erstatten, da sie selber die Urheberrechtsverletzungen nicht begangen habe. Zugang zu dem Computer hatten außer ihr selbst ihr Ehemann sowie ihre damals 10 und 13 Jahre alten Söhne.
Das Gericht hat den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten bejaht. Die Anschlussinhaberin hatte weder vorgetragen wer nach Ihrer Kenntnis den Verstoß begangen haben könnte, noch hatte Sie erläutert ob und wie der Computer technisch gegen Downloads gesichert sei. Weiterhin ließ das Gericht ein einfaches Verbot gegenüber den mindejährigen Kindern zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen nicht ausreichen. Vielmehr sei eine gewisse Kontrolle nötig und den Kindern dürfe nicht einfach freie Hand bei der Nutzung des Internets gelassen werden.
Aus diesen Gründen befand das Gericht die Anschlussinhaberin für verantwortlich und somit hafte sie für die Urheberrechtsverletzungen.
Bei der Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten betonte das Gericht das Hohe Interesse der Musikfirmen an einer Vermeidung weiterer Urhebrrechtsverletzungen vom konkreten Anschluss.
LG Kiel zum gewerblichen Ausmaß
Das LG Kiel verneint in seinem Beschluss vom 06.05.2009 ( AZ. 2 O 112/09) den Drittauskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG, da die Verletzungshandlung nicht im „gewerblichen Ausmaß“ stattgefunden habe.
Nach Ansicht der Kammer erfordere das Merkmal des „gewerblichen Ausmaßes“, dass die Verletzungshandlung zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden. Es müsse eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen. Der Umfang von illegalen Kopien oder Verbreitungen über Internettauschbörsen müsse einen Umfang erreichen, der über das hinausgehe, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch entspräche.
Bestehen keine Anhaltspunkte für eine Dauerhaftigkeit oder Planmäßigkeit des Handelns, so könne auch nicht von einem „gewerblichen Ausmaß“ ausgegangen werden.
Weiterhin führt das Gericht zu dem Merkmal der „Schwere der Rechtsverletzung“ aus, dass allein die Tatsache, dass ein Musiktital erst kurz auf dem Markt sei, nicht ausreiche, um eine solche Schwere anzunehmen. Der wirtschaftliche Wert der Nutzung des Urheberrechts müsse erheblich beeinträchtigt worden sein. Dieser wirtschaftliche Wert richte sich in erster Linie nach der Nachfrag, welche insbesonder von der Bekanntheit des Interpreten und des geschützten Werks geprägt sei. Vorliegend sei der Künstler vergleichsweise unbekannt, da sich das Album nur eine Woche auf Platz drei der Top 50 der Album-Charts befunden habe.
LG Saarbrücken gewährt Einsicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten
Das LG Saarbrücken hat mit Beschluss vom 2. Juli 2009 (Az. 2 Qs 11/09) dem Anwalt eines Rechteinhabers Akteneinsicht in die Staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten gewährt. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens stehe dem nicht entgegen, soweit dies nicht wegen erwiesener Unschuldt erfolgt sei.
Verhältnismäßigkeitserwägungen würden einer Akteneinsicht nur entgegenstehen, soweit in Bagatellfällen jegliche mit Grundrechtseingriffen verbundene Maßnahmen unverhältnismäßig seien. Wo die Grenze einer bagatellartigen Rechtsverletzung zu ziehen ist, hatte das Gericht vorliegend nicht zu entscheiden, da es sich um ein Angebot von 2.955 Audio-Dateien handelte, womit diese Grenze jedenfalls überschritten sei.
Nach dem Dafürhalten der Kammer erfordere ein effektiver Urheberrechtsschutz die Gewährung von Akteneinsicht. Davon betroffen seien die Fälle, in denen eine bagatellartige Rechtsverletzung überschritten, ein gewerbliches Ausmaß hingegen noch nicht angenommen werden könne, da hier kein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG bestehe, ein Rechtsschutz jedoch erforderlich sei.
LG Köln zur Störerhaftung und § 97 a Abs. 2 UrhG
Das LG Köln hat in einem Urteil vom 13. Mai 2009 (Az. 28 O 889/08) die Anforderungen an Internetanschlussinhaber erneut sehr eng gesteckt.
Das Gericht fordert von Eltern minderjähriger Kinder nicht nur die ausdrückliche Untersagung von illegalen Downloads, sondern überdies wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen im Rahmen des Zumutbaren.
Als Zumutbar erachtet das Gericht die Einrichtung eigener Benutzerkonten für die Kinder mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten sowie die Installtion einer „firewall“ die Downloads vom Computer des Internetanschlussinhabers verhindern.
Weiterhin äußert sich das Gericht in diesem Urteil auch zu der Deckelung der Anwaltskosten durch den neu eingefügten § 97 a Abs. 2 UrhG. Zunächst wird festgestellt, dass eine Rückwirkung nicht in Betracht komme, da eine solche im Gesetzestext nicht ausdrücklich angeordnet wurde. Dennoch stellt das Gericht zusätzlich fest, dass bei einem Download-Angebot von 964 Audiodateien eine nur unerhebliche Rechtsverletzung nicht in Betracht komme.
RapidShare AG unterliegt GEMA
Das LG Hamburg untersagte dem Sharehoster „rapidshare.com“ am 12. Juni 2009 per Urteil ca. 5000 Musiktitel im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Mit diesem Urteil, durch welches erstmals eine Entscheidung gegen einen Sharehoster mit einem Wert von 24 Mio. € erzielt wurde, konnte die GEMA einen unerwarteten Erfolg erzielen. Nach dem Urteil ist RapidShare nun selbst dafür verantwortlich, dass eine Veröffentlichung der betroffenen Musiktitel über diese Plattform zukünftig nicht mehr erfolgt.
Die Strategie der GEMA gegen die Dienstanbieter selbst vorzugehen und nicht gegen die Endnutzer konnte damit einen ersten Erfolg feiern.
In dem Urteil stellte dass Gericht fest, dass die von dem Sharehoster getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Urheberrechte nicht aussreichen würden. Daraus ergibt sich, dass die derzeitige Ausgestaltung – nicht nur von RapidShare, sondern wohl aller Shrehosting-Dienste – kein rechtmäßiges Betreiben zulässt. Vielmehr müssten wesentlich wirksamere Maßnahmen zum Urheberrechtsschutz getroffen werden.
Die RapidShare AG dagegen sieht sich selbst nicht als Urheberrechtsverletzer, sie stelle lediglich eine technische Infrastruktur zur Verfügung. Weiterhin hat der Sharehoster bereits angekündigt in Berufung zu gehen.
OLG Oldenburg: zum „Upload Vorsatz“ eines Tauschbörsennutzers
Das OLG Oldenburg hat in einen Beschluss (Az. 1 Ss 46/09) in einem strafrechtlichen Revisionsverfahren zu der Frage, welche Kenntnisse ein Tauschbörsennutzer von den technischen Funktionen des P2P-Programms hat Stellung genommen.
Der Angeklagte war wegen der Verbreitung gewaltpornografischer Schriften zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese Schriften hatte über ein P2P-Programm auf seinen PC geladen und vor dem Amtsgericht dargelegt, dass sich nicht darüber im Klaren war, dass die von ihm heruntergeladenen Dateien von anderen Nutzern von seinem Computer hochgeladen werden können. Er war davon ausgegangen, dass man Dateien ausdrücklich freigeben müsse, um sie zugänglich zu machen. Das erstinstanzliche Gericht hat angenommen, dass der Nutzer einer Tauschbörse weiß, dass auch vom eigenen PC Daten zur Verfügung gestellt werden. Dieser Ansicht ist das OLG nicht gefolgt.
Vielmehr führt das OLG aus, dass ein Erfahrungsschatz dahingehend, dass ein Nutzer einer Tauschbörse wisse oder doch damit rechne, dass er die von ihm heruntergeladenen Dateien automatisch anderen Nutzern zur Verfügung stelle, existiere nicht. Dass der Eingangsordner mit „Incoming“ benannt ist, spreche auch dagegen und lasse gerade nicht vermuten, dass hier auch „Ausgangs“-Dateien gespeichert werden. Das Erfordernis eines gesonderten Ausgangsordners sei auch deswegen naheliegend, weil anderenfalls immer nur heruntergeladene Dateien zum Tauschen zur Verfügung ständen, nicht hingegen solche, die sich aus anderer Quelle auf dem Computer befinden.
Diese Aussage des OLG Oldenburg lässt sich grundsätzlich zumindestens argumentativ auch auf zivilrechtliche Verfahren übertragen. Während die Musik-Industrie behauptet jeder Tauschbörsennutzer wisse, dass sein Tun rechtswidrig sei, geht das OLG Oldenburg mit zutreffender Begründen gerade nicht davon aus. Zumindestens die an ein Verschulden geknüpften Schadenersatzansprüchen dürften durch diese Entscheidung für die Rechteinhaber erheblich schwerer durchzusetzen sein.
OLG Frankfurt: Kosten der Auskunftsanordnung
Das OLG Frankfurt hat in einem Beschluss (Az. 11 W 27/09) festgestellt, dass mehrere inhaltlich selbständige Anträge nach § 101 Abs. 9 UrhG in einer formal einheitlichen Antragsschrift zusammengefasst, dazu führen, dass für jeden dieser inhaltlich unterschiedlichen Anträge eine gesonderte Gebühr nach § 128c Nr. 4 KostO entsteht. Maßgeblich sei, ob sich der vorgetragene Lebenssachverhalt für einzelne Teile des Auskunftsbegehrens in einem wesentlichen Punkt unterscheidet.
Mehrere Anträge kämen danach in Betracht, wenn Verletzungshandlungen zu Grunde liegen, die mehrere Personen unabhängig voneinander begangen haben, etwa bei der Verwendung unterschieder Client-GUID. Dagegen könne aus unterschiedlichen IP-Adressen allein nicht darauf geschlossen werden, von wie vielen Personen eine Rechtsverletzung begangen wurde.
Weiterhin kämen mehrere Anträge in Betracht, wenn sich das Auskunftsbegehren auf eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsverletzungen an verschiedenen Werken beziehe. Dann unterscheide sich der Lebenssachverhalt für die einzelnen Teile des Auskunftsbegehrens in wesentlichen Punkten und stelle dadurch gebührenrechtlich jeweils einen gesonderten Antrag dar.
„Gewerbliches Ausmaß“ für Auskunftsanspruch erforderlich?
Das LG Bielefeld hat in seinem Beschluss vom 10. Juni 2009 (Az. 4 OH 194/09) unter Verweis auf die vorhergehende Kammerrechtsprechung erneut die Heranziehung des § 101 Abs. 1 UrhG verneint. Die Verletzungshandlung selbst müsse für den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 und 9 UrhG kein gewerbliches Ausmaß i.S.d. § 101 Abs. 1 UrhG aufweisen.
OLG München: Eltern keine Störer
Das OLG München (Az. 6 U 3881/08) hilft unwissenden Eltern. Nach diesem Urteil können Eltern nicht ohne Weiters für die von ihren minderjährigen Kindern im Internet begangenen Urheberrechtsverletzungen als Mitstörer zur Verantwortung gezogen werden. Eltern könnten die Aktivitäten ihre Kinder im Internet nicht ständig überwachen und eine solch umfangreiche Aufsichtspflicht könne auch nicht verlangt werden. Damit schließt sich das Gericht der wohl überwiegenden Meinung anderer Gerichte an, dass für Überprüfungspflichten Anhaltspunkte bestehen müssen, dass die eigenen Kinder den Internetanschluss für rechtswidrige Zwecke nutzen.